Jede Woche üben die 12 Sportler:innen der zweiten Fußballmannschaft der Herforder Werkstätten der Lebenshilfe Herford, die sonst in der Montage arbeiten, in der Turnhalle des Forscherhauses. Turnschuhe, die auf dem Boden der Sporthalle quietschen, Jubeln und Freude am Sport — das erlebe ich während einer Trainingseinheit der Mannschaft. Im Interview: Uwe Schürmann, der seit 2011 Trainer ist.
Wie lange gibt es die Fußballmannschaft der Lebenshilfe Herford schon? Die erste Fußballmannschaft wurde 2000 ins Leben gerufen.
Wer kann in der Fußballmannschaft mitspielen? Das Angebot richtet sich an Personen unserer Werkstätten. Dort hat jeder das Recht auf ein Sport- und ein arbeitsbegleitendes Angebot pro Woche. Dort steht zum Beispiel eine Theatergruppe zur Auswahl. Es gab auch mal mehrere Deutschkurse. Durch die Corona-Krise sind allerdings einige unserer Angebote eingeschlafen.
Gibt es spezielle Übungen, die für Ihre Mannschaft besonders wichtig sind? Wir trainieren vor allem die Basics, wie das Passen, Annehmen und Schießen von Bällen. Wie nehme ich einen Ball an? Manche unserer Fußballer spielen immer noch mit der Pike. Das kriegt man nach den Jahren nicht mehr heraus.
Spielt die Mannschaft auch bei Turnieren? Ja, der Behinderten- und Rehabilitationssportverband Nordrhein-Westfalen e.V. bietet Ligaspiele in den Bezirken Westfalen, Ruhrgebiet und Rheinland an. Zwei bis dreimal im Jahr nehmen wir dann an Turnieren teil und fahren dann samstags in verschiedenste Städte und messen uns mit anderen Mannschaften. Ein Spiel geht 15 Minuten und wird auf dem Halbfeld ausgetragen. Deshalb kann es mehrere Spiele an einem Tag geben. Die Freude und die Erfolgserlebnisse, wenn ein Tor geschossen wurde, sind wirklich schön.
Welche Werte werden im Team besonders großgeschrieben? Der Spaß an der Bewegung und dem Ballsport, aber auch das Miteinander. Das versuche ich immer wieder aufzugreifen, wenn es Spannungen gibt. Ich unterbreche das Spiel und gehe ins Gespräch. Das ist ein langsamer Prozess, das Miteinander zu lernen, jemandem zu erklären, dass man nicht alles aussprechen muss. Dazu kommt, gerade nach Corona, die Bewegung. Das hat Einfluss auf das ganze Leben. Wenn ich mich regelmäßig bewege, dann bin ich zufriedener. Dann kann ich auch in der Werkstatt Bewegungen einfacher ausführen.
Gibt es einen Moment, an den Sie sich gerne zurückerinnern? In meinem ersten Jahr waren wir bei einem Turnier. In den drei Spieltagen haben wir 0:45 Tore gespielt. Wir waren natürlich ernüchtert und frustriert. Und dann habe ich gesagt, was ein Angebot das war, heute Fußball gespielt haben zu können. Es gibt Kartoffelsalat, man trifft alte Bekannte anderer Werkstätten. Während der Rückfahrt fing die Mannschaft dann an, “So ein Tag, so wunderschön wie heute”, zu singen. Das ist für mich das Größte, dass sie die Freude trotz dieser hohen Niederlage beibehalten haben.
Was motiviert Sie, diese Mannschaft zu trainieren? Es ist ein totales Erfolgserlebnis, wenn ein Tor geschossen wird. Den Spaß in den Augen der Spieler zu sehen, finde ich einfach schön.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Arbeit? Wir haben Personalprobleme, da so ein Sportangebot auch immer die Freistellung von unserer Arbeit bedeutet. Die Herausforderung ist, ein Angebot durchführen zu können und eine adäquate Betreuung sicher zu stellen.
Wie würden Sie die Stimmung innerhalb der Mannschaft beschreiben? Die Stimmung ist gut! Ich versuche den sportlichen Ehrgeiz aus dem Spiel herauszunehmen. Auch bei den Trainingsstunden kommt es mal schnell zu kleineren Auseinandersetzungen. Wie interagieren wir miteinander? Wie ist das soziale Gefüge? Das thematisiere ich auch gerne in den Trainingseinheiten. Es gibt Personen, die schnell wissen, was die anderen zu tun haben – andere wiederum wollen das nicht hören. Da kann es zu Streitigkeiten kommen. Dann muss man mal reden und es versuchen, auszugleichen. Wir spielen nun einmal miteinander. Es ist dann aber umso schöner zu sehen, wenn es funktioniert. Letztes Jahr waren wir bei einem Hallenturnier in Lippstadt und unsere Mannschaft fing dort richtig an, miteinander zu spielen und hat dann den zweiten Platz belegt. In der zweiten Mannschaft sieht man diese kleinschrittigen Erfolge. Die erste Mannschaft spielt in der zweiten Liga und hat auch schonmal in der ersten Liga gespielt. Einer der Fußballer hat 2010 in Südafrika für die deutsche Nationalmannschaft der Menschen mit Behinderung gespielt.
Gibt es weitere Sportmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung? Wir haben ein Gymnastik-, Fitness-, ein Tischtennisangebot. Es kommt dabei darauf an, welche körperlichen Möglichkeiten die Person hat. Es gibt dann zum Beispiel eine Rampe, um die Kegel mit der Kugel treffen zu können. Wir haben außerdem ein Trampolin. Das Sportangebot wird individuell gestaltet.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Mannschaft? Jetzt erstmal, dass wir für die Spieler Stabilität der Trainingszeiten erhalten. Es kommen und gehen immer wieder Spieler. Trotz dessen ein gutes Gruppengefühl zu haben, ist mir wichtig. Es gibt tatsächlich mehr Personen, die an der Fußballmannschaft teilnehmen möchten, als es möglich ist. Nach Möglichkeit eine dritte Mannschaft zu eröffnen, wäre super.