In NRW gibt es 47 Kreispolizeibehörden und Polizeipräsidien. Die Kreispolizeibehörde Herford ist zuständig für alles, was im Kreis Herford passiert. Eine Polizeibehörde baut sich in der Regel auf in den Bereich Gefahrenabwehr- und Einsatz und den Bereich Kriminalpolizei, wo es ein Kommissariat gibt, das sich unter anderem mit Betäubungsmitteldelikten beschäftigt.
Im Interview: Hendrik Drawe, der selbst auf dem Friedrichs-Gymnasium war.
Welche gesetzlichen Bestimmungen gibt es bezüglich des Konsums von Suchtmitteln wie Vapes, Zigaretten, Alkohol und Drogen bei Jugendlichen und Kindern?
Der Gesetzgeber räumt dem Schutz von Jugendlichen und Kindern grundsätzlich einen hohen Stellenwert ein. Deswegen gibt es auch gesetzliche Vorschriften, die sich damit befassen. Die wesentlichen Vorschriften sind das Jugendschutzgesetz und relativ neu das Konsumcannabisgesetz, wo viele Schutzvorschriften für Kinder und Jugendliche aufgenommen wurden.
Ab welchem Alter ist der Konsum dieser Suchtmittel in Deutschland rechtlich erlaubt?
Das ist sehr unterschiedlich. Es kommt dabei darauf an, über welchen Stoff wir sprechen. Tabak und Vapes sind in der Regel ab 18 Jahren freigegeben. Bei Alkohol kommt es bekanntlicher Maßen auf den Alkoholgehalt des Getränks an. Da liegen wir zwischen 16 und 18 Jahren. Cannabis ist ab dem 18. Lebensjahr im Rahmen des neuen Gesetzes erlaubt. Alle Dinge, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, also Drogen im klassischen Sinne, sind natürlich gar nicht erlaubt.
Welche Strafen gibt es für Verstöße gegen diese Altersgrenzen?
Das Jugendschutzgesetz hat im Wesentlichen den Gedanken, Jugendliche zu schützen und nicht zu bestrafen. Das heißt die Strafvorschriften, die in dem Gesetz auftauchen, richten sich in aller Regel an Erwachsene. Nämlich an diejenigen, die Alkohol oder Tabak Kindern und Jugendlichen zugänglich machen. Also zum Beispiel der Kioskverkäufer, weil der den Ausweis nicht kontrolliert hat und damit wohl möglich Alkohol an Minderjährige herausgibt. Oder der ältere Freund, der für einen Jüngeren etwas mitbringt oder besorgt. Der macht sich möglicherweise strafbar oder begeht eine Ordnungswidrigkeit. Richtige Strafen sieht das Jugendschutzgesetz für Kinder und Jugendliche nicht vor, weil es diese eben vor allem schützen soll. Allerdings spielt der erzieherische Aspekt dort eine Rolle. Der Staat verlässt sich auf diejenigen, die sorgeberechtigt sind, in der Regel sind das die Eltern.
Wie wird für das Einhalten dieser gesetzlichen Bestimmungen gesorgt?
Das ist zum einen die Sorge der Erziehungsberechtigten, die ihre Kinder und Jugendliche davor schützen sollen. Es kann aber auch zum Beispiel im Schulkontext in den Aufgabenbereich der Lehrer fallen. Und am Ende auch in den Bereich weiterer staatlicher Behörden, wie zum Beispiel die Polizei oder das Jugendamt.
Was sollten Jugendliche selbst über den Konsum von Suchtmitteln wissen und warum ist es wichtig, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen?
Der Gesetzgeber räumt dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Suchtmitteln ganz bewusst einen hohen Stellenwert ein, weil es negative Auswirkungen haben kann. Es kann psychische aber auch physische Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen haben. Man macht sich möglicherweise abhängig. Damit meine ich nicht abhängig vom Suchtmittel als solchem, sondern von Verkäufern und Geld, das man besorgen muss. Insofern ist es wichtig, möglichst frühzeitig über die negativen Folgen, die Suchtmittel haben können, aufgeklärt zu sein und sich damit zu beschäftigen.
Inwiefern hat sich der Konsum von Suchtmitteln unter Jugendlichen in den letzten Jahren verändert? Gibt es bestimmte Trends oder Präferenzen, die Ihnen aufgefallen sind?
Man kann da einen Blick in die Statistiken werfen. Die zeigen, dass bei Jugendlichen zumindest in der Corona-Phase der Alkoholkonsum zurückgegangen ist. Mittlerweile sehen wir dort eine Trendwende. Die Zahlen des Alkoholkonsums steigen wieder an. Bei solchen Statistiken kommt es aber auch immer darauf an, wer welche Statistik aus welchem Grund erhebt, wer befragt wird und wie ehrlich die Antworten sind. Bei den anderen Rauschmitteln, insbesondere die Dinge, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, kann man keine Angaben machen, weil diese Dinge irgendwo im Dunkelfeld stattfinden. Vieles davon wir uns als Behörde gar nicht bekannt.
Welche Rolle spielen Vapes bei Jugendlichen?
Insbesondere die City Wache, die aus Polizeibeamten und Beamten des Ordnungsamtes besteht, führt regelmäßig Testkäufe in der Innenstadt durch. Teilweise mit jungen Menschen, die den Anschein erwecken, sie seien Jugendliche. Belastbare Zahlen dazu gibt es aber nicht.
Wenn ja, erkennen Sie Gründe und Motive? Spielen Soziale Medien in dem Zusammenhang eine Rolle?
Ich glaube, dass es immer wieder neue Trends gibt, die durch Social Media beschleunigt werden. Wir sehen das im Moment im Bereich Lachgaskonsum. Das ist für uns ein relativ neues Phänomen.
Gibt es Statistiken zu Krankenhauseinlieferungen aufgrund von Drogenkonsum bei Jugendlichen?
Ja, die gibt es. Genaue Zahlen liegen mir aber nicht vor. Das sind natürlich ziemlich harte Fakten, wenn jemand deshalb behandlungsbedürftig wird. Solche Zahlen lassen sich auch nicht leugnen. Sie sind besonders aufschlussreich, weil sie die gesundheitlichen Folgen des Konsums deutlich machen.
Welche Suchtmittel sind unter Jugendlichen in Herford besonders verbreitet?
Auch hier können wir nur von dem berichten, was wir mitbekommen. Wir erleben dort eine gewisse Verschiebung. Durch das neue Konsumcannabisgesetz fallen „Konsumentenstraftaten“ im Bereich Marijuanakonsum, die wir in der Vergangenheit hatten, teilweise weg. Jetzt sind es eher synthetische Stoffe. Das muss aber nicht der Gesamtzahl entsprechen.
Was sind synthetische Drogen?
Synthetische Drogen sind zum Beispiel Amphetamine oder Ecstasy. Das sind Drogen, die chemisch hergestellt werden und dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, die also in keinem Fall legal konsumiert oder besessen werden können. Im Vergleich zu anderen Drogen, die eine eher aufputschende Wirkung haben, wie zum Beispiel Kokain, sind synthetische Drogen oft günstiger zu haben.
Warum denken Sie, dass gerade Jugendliche und Kinder in dieser Altersgruppe eher zu Suchtmitteln greifen? Was sind mögliche Ursachen?
Aus polizeilicher Sicht kann ich das nur mutmaßen. Ich glaube, dass Jugendliche erlebnisorientierter sind als Erwachsene und, dass da Experimentierfreude und das Austesten von Risiken und Grenzen eine Rolle spielt. Möglicherweise gibt es auch gruppendynamische Prozesse, die sich entwickeln. Beispielsweise, wenn bei Freunden oder auf Partys etwas herumgeht und man dann vor der Gruppe nicht nein sagt. Suchtgeschichten sind individuell. Es gibt Personen, die der Realität entfliehen wollen, aber auch Menschen, die jedes Wochenende auf Partys beispielsweise zu viel Alkohol konsumieren.
Welche Gefahren gehen von Suchtmitteln aus?
Da habe ich etwas mitgebracht. Es gibt nämlich einen Erlass, der sich damit beschäftigt, wie das neue Konsumcannabisgesetz an Schulen umzusetzen ist. Hier ist gut dargestellt, welche Gefahren davon ausgehen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich das Gehirn bis zum 25. Lebensjahr noch weiterentwickelt. Dieser Prozess ist mit dem formellen Erwachsenwerden also nicht beendet. Gerade in dieser Altersspanne kann der Konsum von Rauschmitteln und Cannabis dazu führen, dass sich Prozesse im Gehirn verändern und es dadurch zu kognitiven Störungen kommen kann. Sogar neurologische Störungen sind zu erwarten.
Das Gesetz sieht im Übrigen vor, dass im Umfeld von Schulen, Kindergärten, Spielplätzen und so weiter nicht konsumiert werden darf. Der Erlass stellt noch weitere Regelungen auf. Sowohl für Minderjährige als auch Volljährige ist der Konsum von Cannabis auf dem Schulgelände verboten. Bei weiteren schulischen Veranstaltungen wie auf Ausflügen oder Klassenfahrten gilt auch ein Verbot. Zumindest dann, wenn Minderjährige mit davon betroffen sein könnten. Dann stellt sich noch die Frage nach dem Besitz und Mitführen von Cannabis im schulischen Kontext. Der Erlass stellt auch da klar, dass die Schulen aufgefordert sind, dass nicht zu tolerieren. Wenn es bekannt würde, dass jemand Cannabis dabei hat, wäre die Schule aufgefordert, dagegen einzuschreiten.
Welche präventiven Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach am effektivsten, um den Konsum von Suchtmitteln unter Jugendlichen zu verhindern?
Es ist wichtig, dass Jugendliche frühzeitig aufgeklärt werden. Zu verstehen, welches Risiko man wirklich eingeht, ist wichtig. Ich rede nicht nur von harten Drogen, sondern auch von Cannabis und Alkohol. Es liegt besonders am Elternhaus, an Freunden vielleicht aber auch am Sportverein, entsprechende Aufklärungsarbeit zu leisten. Darüber hinaus gibt es Beratungsangebote professioneller Art, wie von der Drogenberatung der Diakonie Herford oder Beratern der Polizei Herford.
Gibt es Aufklärung und Aufklärungskampagnen in Schulen und Gemeinden in Herford?
Die Polizei hat des Weiteren ein Kriminalkommissariat „Kriminalprävention und Opferschutz“. Wir versuchen also zu verhindern, dass Leute straffällig werden. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass ein Polizeibeamter im Rahmen einer Projektwoche an die Schule kommt und dort einen Vortrag hält. Das geschieht häufig auch in Zusammenarbeit mit der Diakonie, damit man beide Aspekte abdeckt: Was bedeutet es strafrechtlich? Welche Konsequenzen können daraus für mich erwachsen?
Haben Sie aus Ihrer beruflichen Erfahrung konkrete Beispiele, in denen Präventionsmaßnahmen erfolgreich waren? Was hat dabei besonders gut funktioniert?
Den Erfolg kann man in der Regel nicht messen, denn wir sehen nicht, was wir verhindert haben. Das ist gut damit vergleichbar, wenn ein Streifenwagen durch die Stadt fährt und dadurch Straftäter davon abschreckt, Straftaten zu begehen, dann ist das ein Erfolg, den wir aber niemals messen können.
Welche Unterstützung können Jugendliche erhalten, wenn sie bereits in den Sog von Suchtmitteln geraten sind?
Ein offener Umgang und Austausch ist besonders wichtig. Dass man im Umfeld Vertrauenspersonen hat, egal ob es Eltern, Freunde oder Geschwister sind. „Suchtkarrieren“ verlaufen immer sehr individuell. Es können Gründe sein, dass man zum Beispiel aus Notlagen oder Stresssituationen meint, man müsse sich ablenken und dann zu Rauschmitteln greifen. Dann ist eine solche „Drogenkarriere“ eine ganz andere, als bei denjenigen, der aus Gründen der Unterhaltung, weil er beispielsweise auf Partys besonders gut gelaunt sein möchte, zu synthetischen Drogen greift. Vorprägung und die Konstitution einer Person spielen immer eine Rolle. Deshalb ist es schwierig, einen pauschalen Präventionstipp zu geben. Austausch mit Vertrauten ist immens wichtig.
Was würden Sie Schüler:innen in Bezug auf einen „gesunden“ Umgang mit Suchtmitteln raten?
Über die Frage habe ich länger nachgedacht, weil ich mich an dem Begriff „gesund“ stoße. Alle Suchtmittel sind mit potenziellen Gefahren verbunden. Egal ob wir über Alkohol, Cannabis oder härtere Drogen reden. Ich würde eher von einem verantwortungsbewussten Konsum sprechen wollen. Aus polizeilicher Sicht muss ich natürlich dringend vom Konsum illegaler Betäubungsmittel abraten, weil man sich schlicht strafbar macht. Und bei legalen Rauschmitteln gilt es Maß zu halten, um sich nicht einer Suchtgefahr oder Gesundheitsrisiken auszusetzen.
Wie kann ein möglicher Ermittlungsprozess bei Jugendlichen aussehen?
Grundsätzlich muss man differenzieren, in welchem Bereich wir rechtlich unterwegs sind. Wenn die Polizei Kenntnis davon erhält, dann bedeutet das in der Regel, dass wir jemanden beim Konsum, Besitz oder Verkauf erwischt haben. In der Regel besteht dann ein Tatverdacht. Wenn es sich bei dem Beschuldigten um einen Jugendlichen handelt, werden auch die Eltern in Kenntnis gesetzt, weil dann auch ein entsprechendes Strafverfahren initiiert wird. Aber auch unterhalb der Schwelle des Strafverfahrens zum Beispiel, wenn wir von Cannabis sprechen, dann wäre es so, dass die Polizei, wenn sie entsprechende Anhaltspunkte hat, die Erziehungsberechtigten informiert, damit diese erzieherisch tätig werden können. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, das Jugendamt zu informieren. Diese kontrollieren, ob sich die Erziehungsberechtigten um ein mögliches Problem kümmern. Wenn das nicht der Fall ist, bietet das Amt Unterstützung an. An letzter Stelle steht dann, dass das Jugendamt weitere Maßnahmen trifft.
Kann es eine Haftstrafe geben? Wenn ja, wie lange dauert diese an?
Wenn wir über eine mögliche Freiheitsstrafe sprechen, würde das bedingen, dass jemand eine Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz begangen hat. Da sprechen wir von Kokain, Heroin und so weiter. Dann macht es noch einen Unterschied, ob man „nur“ eine geringe Menge besessen hat, ob man eine große Menge besessen hat, ob man Handel betrieben hat, ob man es anderen zugänglich gemacht hat, ob man schon polizeilich bekannt ist und ob bisherige erzieherische Maßnahmen erfolgreich waren. All diese Dinge beeinflussen ein Urteil. Man darf auch nicht vergessen, dass bei Jugendlichen das Jugendstrafrecht gilt. Dieses sieht zum einen deutlich mildere Strafen vor und zielt erstmal auf erzieherische Maßnahmen bei Jugendlichen ab. Bis der Staat eine Strafe wie ein Freizeitarrest verhängt, muss die Schwelle ordentlich überschritten worden sein. Richter haben hier einen relativ großen Gestaltungsspielraum. Eine wirkliche Haftstrafe kann es aber geben. Insbesondere wenn ein Gericht feststellen muss, dass erzieherische Maßnahmen keine Wirkung gezeigt haben, dass das Jugendamt schon unterstützt hat, dass es Maßnahmen wie Wochenend- oder Freizeitarrest schon gegeben hat, diese aber zu keiner Verhaltensänderung geführt haben.
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